Auf das Kandidatenportrait im Tübinger Tagblatt von Thomas de Marco bekam ich eine Leserzuschrift, die sich danach erkundigte, wie ich das mit weißer Identitätspolitik meinte.
Hier die (anonymisierte) Zuschrift und meine Antwort.
Sehr geehrter Herr Schrade,
im Schwäbischen Tagblatt erscheint von Thomas de Marco hinter der Bezahlschranke ein Artikel mit dem Titel „Hansjörg Schrade: Für eine weiße Identitätspolitik“. Dies lese ich doch mit einiger Irritation. Daher wäre ich Ihnen sehr dankbar, wenn Sie mir dies kurz erläutern könnten, was Sie realiter hier meinen.
Mit freundlichen Grüßen
Meine Antwort:
Sehr geehrter Herr N.N.,
vorab: Ihre Zuschrift ehrt mich. Gerne antworte ich:
„Der Linksliberalismus sei, so betont Wagenknecht, nicht wirklich liberal: Während zum Liberalismus die Toleranz gegenüber Andersdenkenden gehöre, zeichne sich der Linksliberalismus durch äußerste Intoleranz gegenüber allen aus, die seine Sicht der Dinge nicht teilten. Linksliberale Intoleranz und rechte Hassreden seien kommunizierende Röhren.“ aus einem Artikel auf den linken Nachdenkseiten über Sahra Wagenknechts Buch Die Selbstgerechten.
Oder Prof. Wolfgang Merkel Berlin im SWR2 (da): „24. O-Ton – Wolfgang Merkel: Ein Teil der weniger gebildeten, der von Statusängsten befallenen Gruppen der Bevölkerung, die sagen, wer spricht eigentlich für uns? Die ganze Debatte dreht sich um die einzelnen Gruppen und wir, die eigentliche Mehrheit, werden nicht mehr gehört, werden nicht mehr richtig repräsentiert. Und das ist das Terrain, das vorbereitet wurde für die Rechtspopulisten, die gesagt haben, hört uns alle zu, wir geben euch diese Stimme, wählt uns. Und ihr seid die Mehrheit und ihr habt zu bestimmen.“
Der Heiligenschein der Identitätspolitik und die moralische Superiorität bestimmter Gruppen wird gerade von linker Seite selbst wirkungsvoll demontiert – es geht nicht um „Haltung“, um moralische Erhabenheit, es geht um wirkungsvolle Repräsentation auf Augenhöhe im demokratischen Prozess. Da mache ich gerne weiter: wenn alle möglichen Minderheiten sich als Opfer gerieren und Aufmerksamkeit und Privilegien einfordern, dann darf ich als Politiker das für meine Zielgruppe auch. Bei der Landtagswahl erreichte die AfD die meisten Stimmen bei Arbeitern (da), der SWR weiß es auch (da).
Wenn es aus Reutlingen heißt: „Eine Großstadt wie Reutlingen lebe von der Vielfalt ihrer Bürgerinnen und Bürger, heißt es in der Erklärung des Reutlinger Integrationsrats: „Wir unterstützen daher die Petition und das zivilgesellschaftliche Engagement der Initiatorinnen, darunter eine Reutlinger Integrationsrätin. Vorurteile und Stereotype müssen abgebaut werden, rechtsextremistische Ideologien dürfen keinen Raum bekommen und Vielfalt muss in den Vordergrund gestellt werden.“ (da), dann erlaube ich mir mit der selben Legitimation, die stereotypen Vorurteile weiß = schlecht und böse, „weiß“ soll alles bezahlen, die Aufnahmegesellschaft sei für alle nicht gelingende Integration zuständig und müsse daher einfach mehr tun, anbieten, bezahlen zu widerlegen – wie wenn nur die Aufnahmegesellschaft Vorurteile und Stereotypen hätte. Und auf latent durchschimmernde linksextremestische Ideologien hinzuweisen.
Wer es für provokant hält, darf das gerne: aber weiße Identitätspolitik als Selbstvergewisserung und Legitimation der Aufnahmegesellschaft gegen eine Migrationsagenda und -propaganda, die sich einen Sch… um die Belange der Aufnahmegesellschaft kümmert ist die Basis für eine höchst legitime, selbstbewußte Artikulation der Interessen dieser „weniger gebildeten, der von Statusängsten befallenen Gruppen der Bevölkerung“ (Wolfgang Merkel). Es ist Demokratie pur, wenn ich für diese Gruppen der Bevölkerung ein demokratisches Repräsentationsangebot mache: „it’s ok to be white“.
Er kann sich dagegen nicht mehr wehren, wahrscheinlich täte er es, wenn er wüßte, dass ein „Rechtspopulist“ bei ihm Anleihen nimmt: aber niemand hinderte mich vor 40 Jahren, mal in Paulo Freire hineinzulesen, dabei blieb es leider. Aber der Spur nach habe ich schon damals verstanden, was Wikipedia heute so beschreibt: „Freires Pädagogik ist eine Pädagogik der Kommunikation, denn durch die Kommunikation erfolgt eine Reflexion und damit Bewusstseinsbildung. Durch diese Bewusstseinsbildung ist es dem Menschen möglich, Autonomie zu erlangen.“ (da)
Genau diese Autonomie ist jedoch die Voraussetzung für die Teilnahme am politischen Willensbildungsprozess des Volkes nach Art. 21 GG. Da sehe ich eine echte Marktlücke, weil genau diese Autonomie den „weniger gebildeten, der von Statusängsten befallenen Gruppen der Bevölkerung“ sowohl von CDU-SPD-Grünen als auch von den öffentlich-rechtlichen Medien gezielt vorenthalten und, so in Ansätzen vorhanden, delegitimiert wird. Meine Ahnung: genau weil sie diese Marktlücke besetzt, wird die AfD so heftig und undemokratisch bekämpft. Aber die Wagenburg ist mind. 8 – 10 Prozent, in Neufünfland bis zu 30 Prozent groß, das ist auch eine Selbstvergewisserung.
Zu einer Fortsetzung des Gesprächs, gerne bei guten Getränken hier bei uns in Rommelsbach oder auf „neutralem“ Grund in der Stadt, z.B. Joli Außenbereich ohne Testpflicht, bin ich gerne bereit.
Mit freundlichen Grüßen
Hansjörg Schrade