Der schweizerische Volkswirtschaftsprofessor Mathias Binswanger zeigt in seinem Buch „Mehr Wohlstand durch weniger Agrarfreihandel“, wie falsche, einseitige Annahmen des Ricardo’schen Tuchmodells schon vor 200 Jahren zur Zerstörung der produktiven portugiesischen Tuchindustrie geführt haben, ohne dem portugiesischen Weinanbau genützt zu haben – weil England zwar viel mehr Tuch nach Portugal exportieren konnte, aber nicht in gleichem Maß mehr portugiesischen Wein importierte.1 Boden als wichtigster Produktionsfaktor kann nicht vermehrt werden und die Nachfragemacht des Handels führt trotz (oder wegen!) Produktionssteigerungen und bei unbeschränkten Importen zu fallenden Preisen und Existenzvernichtung für viele Bauern. Für viele Entwicklungsländer ist nachgewiesen, wie die erzwungene Öffnung der Grenzen für Agrarprodukte zu Landflucht und sinkendem Wohlstand für die gesamte Gesellschaft geführt haben, weil die lokalen Bauern mit den heruntersubventionierten Preisen der Importe aus USA, Lateinamerika und EU nicht konkurrieren konnten. Getreide und Futtermittel werden zollfrei in die EU importiert und machen so die Massentierhaltungen in Norddeutschland, den Niederlanden und anderen küstennahen Regionen Europas erst möglich, mit allen Begleiterscheinungen wie Überdüngung oder Gülleexport in andere Regionen. Sogenannte Freihandelsabkommen mit zollfreien Fleischimporten wie Mercosur, CETA oder JEFTA werden die Situation bei Fleisch- und Milchprodukten und vielen anderen Produkten zulasten unserer Bauern und Versorgungssicherheit weiter verschärfen.
Schon Bismarck oder die USA Anfang der 1930er Jahre führten Schutzzölle ein: „Und es hat funktioniert: Die Stahlindustrie hat sich modernisiert, die Landwirtschaft konnte sich stabilisieren.“ sagt der Wirtschaftshistoriker Prof. Abelshauser.2 Schon ein geringer, jedoch langsam ansteigender Zoll auf Agrarprodukte (Futtergetreide, Mais, Soja, Zucker) würde Investitionen umlenken, neue Massentierhaltungen unrentabel machen, Preise für einheimische Agrarrohstoffe (nicht unbedingt die Endprodukte!) ansteigen lassen und somit die flächengebundene Tierhaltung auch in Mittelgebirgen oder der südlichen Hälfte von Deutschland wieder stärken. Steigende Preise für die Bauern machen diese von Subventionen immer unabhängiger, entlasten die Staatshaushalte und drängen so den Einfluss der Politik auf die Bauern zurück. Unternehmerische Freiheit und Unabhängigkeit von Beamten macht die Bauern wieder zu freien Bauern und gibt Ihnen Berufsstolz und Ansehen in der Gesellschaft zurück.
1Das sog. Ricardo’sche Tuchmodell Anfang des 19. Jahrhunderts verglich die Arbeitsproduktivität in der Tuch- und Weinherstellung zwischen England und Portugal und kam zu dem Schluss, dass jeweils die Produkte, die im eigenen Land effektiver als andere Produkte hergestellt werden, exportiert werden sollten und dafür Produkte importiert werden sollten, wenn sie im eigenen Land weniger effektiv hergestellt werden können. „In Portugal führte der Methuen-Vetrag innerhalb kurzer Zeit zur vollständigen Vernichtung der Tuchindustrie, da Portugal sofort mit englischem Tuch überschwemmt wurde.“ Quelle: Mathias Binswanger, Mehr Wohlstand durch weniger Agrarfreihandel – Landwirtschaft und Globalisierung, Verlag Picus Wien, 2020, S. 18