1. Sie geben zu: wir hätten inhaltlich diskutieren müssen, sie haben das nicht getan.
Die Diffamierung und Ausgrenzung war ein Fehler.
„Wir haben die AfD überhaupt an der rechten Seite der CDU groß werden lassen, wir haben uns mit ihr nicht inhaltlich auseinandergesetzt, sondern vielmehr über sie, als mit ihren Vertretern geredet, folglich hatten wir auch viele Chancen vergeben, deren Sichtweisen als unhaltbar oder problematisch öffentlich darzustellen, und jetzt hat sich hier ein Biotop, ein Soziotop verfestigt, dem in Ostdeutschland 30 Prozent der Wähler anhängen, in Westdeutschland wahrscheinlich 10 Prozent, von außen sind AfD’ler nicht mehr zu erreichen.“ … „wenn wir schon vor vier, fünf Jahren begonnen hätten, uns inhaltlich mit AfD’lern auseinanderzusetzen, statt immer nur im Kreise derer, die so gut sind und nett sind und moralisch wertvoll sind wie wir, über die AfD zu reden.“
2. Der Mainstream selbst und die CDU haben den Extremismus-Begriff durch die gedankenlose, inflationäre Verwendung wertlos gemacht, die Extremismus-Keule trifft nicht mehr, sie glauben selbst nicht mehr daran, weil sie sich nicht an die genaue Definition des Verfassungsgerichts halten.
„ … wir haben uns daran gewöhnt, jene Formeln, jene Sprechblasen zu verwenden, die in unsere Argumentation und Deutungsabsicht hineinpassen. Das merken nun viele Leute im Lande, infolgedessen gilt bei manchen Leuten die Forderung überhaupt nichts mehr …“ und: „auf der Strecke bleibt ein präziser Extremismus-Begriff und eine präzise Darstellung dessen, was an der AfD auf eine Beseitigung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung ausgeht (er könnte gemeint haben: „hinzielt“), das ist die vom Verfassungsgericht getroffene Definition von Extremismus.“
3. Die CDU steht nur noch auf einem, dem linken Bein – das rechte Bein hat sie beim Unfall AfD-Gründung verloren und das wächst nicht mehr nach.
„ das ist wie wenn jemand bei einem selbstverschuldeten Autounfall ein Bein verloren hat, und er bereut das irgendwann, das Bein wird nie mehr nachwachsen. Wir haben die AfD überhaupt an der rechten Seite der CDU groß werden lassen, wir haben uns mit ihr nicht inhaltlich auseinandergesetzt, sondern vielmehr über sie, als mit ihren Vertretern geredet, folglich hatten wir auch viele Chancen vergeben, deren Sichtweisen als unhaltbar oder problematisch öffentlich darzustellen …“. Damit sagt er auch: die CDU wird nie wieder eine konservative Partei werden (können) – wenn sie das denn jemals war.
4. Sie hoffen nur noch auf das Wunder, dass die AfD „an ihren eigenen Fehlern“ scheitert – ohne dass diese „Fehler“ benannt werden, sie entdecken keinen Fehler bei der AfD!
Sie haben nur noch Hoffnungen, keinen Plan, keine Strategie. Und sie können uns nicht mal einen Fehler vorwerfen, sie wissen keinen! Sie entdecken keine Schwachstelle in der Mauer, an der sie angreifen könnten.
5. Verweigerung der Zusammenarbeit auf kommunaler Ebene wäre die (Selbst-) Aufgabe von Politik-machen – er warnt vor politischem Selbstmord aus Angst vor dem Tod.
Immerhin: Patzelt akzeptiert noch den Wähler, Bürger als Souverän. Implizit empfiehlt er der CDU, den Funktionären wieder mehr Demut vor dem Wähler – etwas spät. Die Arroganz der Macht der Merkel-CDU spätestens seit der Griechen-Rettung 2010 und der Grenzöffnung 2015 rächt sich jetzt. Verweigerung der Zusammenarbeit auf kommunaler Ebene wäre die Selbstaufgabe der CDU-Vertreter „vor Ort“, wäre politischer Selbstmord aus Angst vor dem Tod.
6. Die CDU kapituliert, glaubt selbst nicht mehr, dass sie noch die Macht hätte, der AfD Forderungen stellen zu können wie „Verschwörungstheorien“ aufgeben, inhaltliche Positionen aufgeben, sich „von dem und dem Personal trennen“.
Auch eine Einsicht: die CDU sieht ihre Position als so schwach an, dass die AfD keine CDU-Forderungen mehr akzeptieren muss. Wir müssen uns weder von Positionen noch von Personal trennen – CDU-Patzelt bestätigt uns das!
7. Die CDU müsste eigentlich ab sofort auf die Unvereinbarkeitsliste, weil Patzelt implizit fordert, dass die CDU Streit in die AfD hineintragen soll – nur noch Streit innerhalb der AfD kann die AfD stoppen, ein anderes Rezept haben sie nicht mehr.
Wer bis heute in der CDU war und jetzt in die AfD wechseln möchte, könnte ein Tullius Destructivus sein, der von der CDU geschickt wird, nur um Streit innerhalb der AfD zu inszenieren wie der kleine Römer, der von Cäsar im Asterix-Heft „Streit um Asterix“ zu den Galliern geschickt wird. Patzelts einzige Hoffnung für die CDU: Streit in die AfD hineintragen. Im Rückblick muss uns das unsicher machen, ob das nicht für manchen mehr oder weniger prominenten Zugang von der CDU nach 2015 gelten könnte, der oder die 2015 die Grenzöffnung Merkels noch mitgetragen oder zumindest teilnahmslos und tatenlos als CDU-Mitglied oder gar Mandatsträger zugeschaut hat statt sofortige Konsequenzen zu ziehen und heute in der AfD als „Gemäßigter“ immer wieder versucht, diese oder jene AfD-Position als „zu extrem“ abzuwerten.
Damit steht das hölzerne Pferd ante portas. Alle süßen Angebote, Schleimspuren, tollen Vorschläge zur Zusammenarbeit, die von der CDU in den nächsten Monaten kommen, könnten der Versuch sein, den Rat Patzelts umzusetzen und Streit innerhalb der AfD auszulösen.
Eine schönere Ermutigung als vom CDU-Senior Patzelt, an unserem Programm festzuhalten und auch als Truppe fest zusammenzuhalten, kann es eigentlich kaum geben! Danke für diesen Appell zur personellen Geschlossenheit und zur programmatischen Entschlossenheit!
Transkript WELT-Interview mit Prof. Werner Patzelt (Bautzen, CDU) vom 31.07.2023
NACH PARTEITAG IN MAGDEBURG „Vermutlich gibt es keinen richtigen Umgang mit der AfD mehr“
WELT: Schönen guten Abend, Herr Patzelt,
Patzelt: Einen schönen guten Abend.
WELT: Mit Maximilian Krah aus Sachsen hat die AfD einen Europa-Spitzenkandidaten aufgestellt, der als rechte Hand von Björn Höcke gilt. Wie groß ist der Einfluss Höckes Ihrer Meinung nach in der Partei insgesamt?
Patzelt: Positiv gewendet: der Einfluss der Vernünftigen in der AfD ist seit Jahren gesunken und gesunken. Man hat in der Partei sich darauf eingelassen, dass man insbesondere durch demagogisches, radikales Wirken Stimmen an sich bindet und die anderen Parteien haben ja klargemacht, wer der AfD zu nahe kommt, der ist vom politischen Spielfeld zu verweisen, folglich haben sich vernünftige Leute in diesem Lande bemüht, der AfD ferne zu bleiben, wer in der AfD war, als früherer CDU-Mann und Leistungsträger, der hat die AfD verlassen, es ist der Haufen der Empörten, der demagogisch Gesinnten zurückgeblieben, und wir haben die AfD nun jahrelang dem eigenen Biotop überlassen, und die Ergebnisse sehen wir nun und vielleicht war unsere Strategie falsch.
WELT: Der Verfassungsschutz-Präsident sagt, wir sehen rechtsextremistische Verschwörungstheorien, die beim Parteitag verbreitet werden. Ist nicht genau das wieder die Art von Opferrolle, die die AfD als Narrativ für sich selbst ausnutzen möchte, ausnützen kann, Co-Chefin Weidel hat genau das ja am Wochenende auch getan?
Patzelt: Das Problem ist, dass wir nicht mehr geneigt sind, über Tatsachen zu sprechen und darüber, ob Aussagen, ob Behauptungen mit den Tatsachen übereinstimmen. Sondern wir haben uns daran gewöhnt, Narrative zu entwickeln, das heißt Erzählungen, die einen bestimmten Inhalt, eine bestimmte Deutung transportieren und wir haben uns daran gewöhnt, jene Formeln, jene Sprechblasen zu verwenden, die in unsere Argumentation und Deutungsabsicht hineinpassen. Das merken nun viele Leute im Lande, infolgedessen gilt bei manchen Leuten die Forderung überhaupt nichts mehr, man muss nachprüfen, ob denn tatsächlich etwas der Fall ist, was behauptet wird. Stattdessen ziehen alle auf ihre Narrative zurück, die AfD’ler auf das Narrativ „wir sind ganz normal“, die anderen auf das Narrativ „das sind lauter Extremisten“, und auf der Strecke bleibt ein präziser Extremismus-Begriff und eine präzise Darstellung dessen, was an der AfD auf eine Beseitigung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung ausgeht (er könnte gemeint haben: „hinzielt“), das ist die vom Verfassungsgericht getroffene Definition von Extremismus.
WELT: Wenn Sie sagen, unsere Strategie ist nicht aufgegangen und im Prinzip bedient jeder nur noch sein eigenes Narrativ, Herr Patzelt, was wäre denn dann der richtige Umgang mit der AfD, was wäre denn dann das richtige Narrativ, was wäre die richtige Strategie?
Patzelt: Vermutlich gibt es keinen richtigen Umgang mit der AfD mehr. Schauen Sie, das ist wie wenn jemand bei einem selbstverschuldeten Autounfall ein Bein verloren hat, und er bereut das irgendwann, das Bein wird nie mehr nachwachsen. Wir haben die AfD überhaupt an der rechten Seite der CDU groß werden lassen, wir haben uns mit ihr nicht inhaltlich auseinandergesetzt, sondern vielmehr über sie, als mit ihren Vertretern geredet, folglich hatten wir auch viele Chancen vergeben, deren Sichtweisen als unhaltbar oder problematisch öffentlich darzustellen, und jetzt hat sich hier ein Biotop, ein Soziotop verfestigt, dem in Ostdeutschland 30 Prozent der Wähler anhängen, in Westdeutschland wahrscheinlich 10 Prozent, von außen sind AfD’ler nicht mehr zu erreichen. Irgendeine Machtperspektive, die Realpolitkern wie einst bei den Grünen den Weg an die Spitzenämter öffnen könnten mit dem Argument, anders könnten wir unsere Ziele gar nicht umsetzen als dadurch, dass sie verwirklicht werden, solche Realos haben seit Jahren keine Unterstützung, sie gibt es auch kaum in der Partei, wahrscheinlich kann man im Umgang mit der AfD überhaupt nichts mehr richtig machen, sondern (man) wird improvisieren, bis eines Tages entweder die AfD an ihren eigenen Fehlern definitiv gescheitert ist oder bis ein kleines Wunder geschieht, dass sich doch noch vernünftige Leute in der AfD durchsetzen.
WELT: Jetzt geht es aber genau in die andere Richtung, das heißt die Umfragewerte steigen an, in den östlichen Bundesländern, die haben Sie gerade angesprochen, im Bund, vielleicht auch bei der Europawahl im nächsten Jahr. Jetzt wird sehr viel diskutiert, da geht es immer mal wieder auch um Parteiverbote, und natürlich darum, das haben wir eben gerade schon besprochen, jegliche Zusammenarbeit auszuschließen. Das kann eigentlich nicht die Lösung sein, wenn man so kapituliert, oder, denn wie gesagt, die Umfragewerte gehen immer weiter nach oben in diesen Zeiten für die AfD?
Patzelt: das sind auch keine Lösungen. Man erregt sich ab und zu über die kommunale Ebene, dass dort mit der AfD zusammengearbeitet wird. Wenn es aber dem Wähler gefällt, einen AfD-Bürgermeister mit einem Nicht-AfD-Gemeinderat zusammenzuspannen, ja, dann kann man schlechterdings nicht, wenn man das Politikmachen nicht aufgeben will, diesen Wählerwunsch ignorieren. Und dass die AfD in den Umfragen steigt, weil sie nirgendwo den Beweis antreten muss, dass das, was sie sagt, irgend etwas taugt, auch das ist wahr. Mir scheint, das Einzige was man noch machen könnte, wäre das Folgende: man müsste, man, konkret die CDU, weil eine andere Partei steht der AfD so fern, dass das ohnehin nicht ginge, die CDU müsste der AfD klarmachen, irgendeine Ummünzung eurer bei Umfragen gewonnenen Macht in reales politisches Mitwirken kommt nur dann in Frage, wenn ihr drei Dinge tut:
erstens, ihr müsst folgende Rhetorik, folgende Verschwörungstheorie beiseite lassen.
Zweitens, ihr müsst euch von folgenden inhaltlichen Positionen trennen, etwa dem Vorschlag, den größten Teil der EU-Institutionen aufzulösen.
Und drittens, ihr müsst euch von dem und dem Personal trennen.
Die AfD wird das nicht tun, aber in der Partei entsteht dann Streit darüber, der vielleicht den Streit vom Parteitag sogar noch in den Schatten stellt. Streit in der AfD kann sie eher spalten als eine Einheitsfront gegen die AfD, welche die AfD seit Jahren zusammengeschweißt hat. Ob diese Strategie funktioniert, ob überhaupt ein CDU-Politiker sich traut, über sie nachzudenken, das bezweifle ich, und folglich werden wir weiterhin wie ein Kaninchen oder wie eine ganze Herde von Kaninchen auf die Schlange namens AfD blicken und das ist ein Zustand, den wir hätten abwenden können, wenn wir schon vor vier, fünf Jahren begonnen hätten, uns inhaltlich mit AfD’lern auseinanderzusetzen, statt immer nur im Kreise derer, die so gut sind und nett sind und moralisch wertvoll sind wie wir, über die AfD zu reden.
WELT: … sagt Professor Werner Patzelt, Politikwissenschaftler, über den Umgang mit der AfD. Wir bedanken uns ganz herzlich für das Interview, Herr Patzelt.
Patzelt: Dankeschön.